Aufstieg zu den Alpenrosen

Ich werde oft gefragt was guten Honig ausmacht, und natürlich kann man diese Frage aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Doch für mich als Imker gibt es einen zentralen Punkt, den ich immer gerne betone: Guter Honig entsteht aus der Vielfalt der Natur!

Die rostblättrige Alpenrose

Wenn Bienen aus vielen verschiedenen Blüten Nektar sammeln können, dann entsteht guter Honig. Die Vielfalt der Natur macht sich bemerkbar in reichhaltigem Aroma, raffinierten Geschmacksnoten und hochwertigen Nährstoffen. Wer Mein Honig kennt, weiß, dass ich nach eben diese Qualitäten strebe. Mit jedem einzelnen Honigglas. 

Wo finden die Bienen also Blütenvielfalt?

Diese Frage stellt sich Jahr für Jahr, wenn ich die Bienenstöcke aufstelle. Als erfahrener Imker weiß ich: Es gibt da keine goldene Regel. Die Wahl des Standplatzes hängt von vielen Faktoren ab: dem klimatischen Jahrestrend, der landwirtschaftlichen Nutzung von nahegelegenen Feldern, der Stärke des Bienenvolkes, und noch vielen anderen! Als Imker muss man also achtsam sein, die Natur ganz genau beobachten, mit KollegInnen sprechen – und Dinge ausprobieren.

Am ersten Juliwochenende habe ich einen ganz neuen Bienenstandplatz in der Steiermark besucht. Dort habe ich etwas ganz Neues ausprobiert: einen Bienenstandplatz auf 1400 Höhenmetern! Er ist eingebettet in einem abgelegenen Tal und rundherum ist: nichts. Keine Straßen, keine Wanderwege, kein Lärm. Stattdessen findet sich dort eine unglaubliche Blütenvielfalt. Doch es gab einige ungeklärte Fragen: Wie werden die Bienen mit der Höhe umgehen? Welche Blüten werden sie anfliegen? Werden sie vielleicht sogar auf den Geschmack der kostbaren Alpenrose, welche auch unter dem Namen Almrausch bekannt ist, kommen? Oder lassen sie es bleiben und bewegen sich nur im engsten Umkreis rund um den Stock? Auf diese Fragen hatte ich keine Antworten. Ihr könnt mir also glauben, dass ich nervös war, als ich meine Völker nach einigen Wochen zum ersten Mal besucht habe...

Imker in der Dunkelheit und Anhänger mit Bienenvölkern

Wie hoch fliegen denn meine Bienen?

Früh am Morgen, als die Bienen ihre Arbeit begannen, bin ich vom Standplatz aus aufgebrochen, um den Ausflügen meiner Bienen zu folgen. Und was ich entdeckte, übertraf meine allerkühnsten Erwartungen! Die Bienen haben sich nicht nur an den Standplatz gewöhnt, sie haben die Landschaft noch viel besser erkundet als ich es hatte...

Zunächst folgte ich ihnen bergauf in unbefestigtes Gelände. Ich traf die Bienen auf den unterschiedlichsten Gebirgsblüten wieder, wie etwa auf Heidelbeersträuchen, Arnika und Enzian. Die sind allesamt sehr aromatische Blüten, die nicht allzu oft in Bienenstöcken landen. So weit, so wunderbar!

Doch ich folgte den Bienen noch weiter. Ich durchquerte Bäche, Sümpfe und kleinere Schluchten, immer den Bienen folgend in Richtung Gipfel. `Wie hoch fliegen denn meine Bienen?‘, fragte ich mich mehrmals. Kann das denn überhaupt sein, dass sie so hoch arbeiten? Oder folge ich nur einzelnen wagemutigen Ausreißern?

Der Imker beim aufstellen der Völker

 

Und dann kurz vor dem Gipfel traf ich auf ein kleines Paradies hoch oben auf 1800 Höhenmetern. Vor mir lag eine langläufige Wiese mit den prächtigsten Alpenrosen, die in voller Blüte standen. Und was war da noch? Richtig, meine Bienen! Ich war fassungslos! So hoch oben herrschte reges Treiben. Ich beobachtete, wie die Bienen den kostbaren Nektar der Alpenrosen sammelten und voll bepackt wieder den Heimflug zu ihrem Stock antraten. So wie sich meine Bienen da oben offenbar nicht sattessen konnten, so konnte ich mich an diesem Anblick nicht sattsehen. Irgendwann musste ich mich aber losreißen und zu dem Standplatz zurückkehren. Ein Blick in die Bienenstöcke und auf den bisherigen Ertrag brachte dann die Gewissheit: Mit diesem Standplatz ist mir dieses Jahr etwas ganz Großes gelungen.

Ein eindrücklicher Beweis, dass meine Bienen bei vollen Kräften sind. Und ein unglaublicher Beweis, dass dieser Standplatz ideal ist trotz der unkonventionellen Lage. Dieser Honig, voll mit Gebirgsblüten, wird ganz besonders...

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